Foto: Anna Stoecher / Koch.Campus

Lukas Nagl präsentiert Sashimi von der Lachsforelle in unterschiedlichen Reifungsgraden

25. November 2024

Exzellenz statt Opulenz

Der Koch.Campus ermöglicht kulinarischen Wissens- und Erfahrungsaustausch auf höchstem Niveau. Ein Rückblick auf den Workshop am Traunsee

„Exzellenz statt Opulenz“, das Motto, das Fred Loimer am Koch.Campus-Workshop Ende Oktober 2024 bei Lukas Nagl am Traunsee für die Gruppe der respekt-BIODYN-Winzer ausgegeben hat, beschreibt auch treffend, worum es dem Koch.Campus geht.

Gegründet 2013 ist es die Intention dieser Vereinigung österreichischer Spitzenköche, Premium-Produzenten und Bio-Landwirte den Wissens- und Erfahrungsaustausch sowie die gemeinsame Erforschung und Entwicklung von regionalen Produkten, Techniken und Rezepturen auf höchsten Niveau zu fördern. Im Zentrum steht dabei die zeitgenössische Interpretation der österreichische Küche auf Basis exzellenter Grundprodukte.

Drei bis viermal im Jahr tagt der Think Tank, um im Rahmen von anspruchsvollen Workshops Fortbildung und kulinarische Grundlagenforschung zu betreiben, Anbau-, Zucht- und Kochtechniken sowie Rezepturen zu optimieren, die gastronomischen Rahmenbedingungen kritisch zu hinterfragen, Antworten auf zukunftsrelevante Fragen zu finden und Netzwerke zwischen Köchen und Produzenten zu knüpfen. Von all dem sollen nicht nur die zahlreichen Mitglieder profitieren, sondern auch junge, ambitionierte Vertreter und Vertreterinnen aus Küche, Weingarten und Landwirtschaft.

Der Think Tank der österreichischen Topgastronomie

Die Mitgliederliste des Koch.Campus liest sich wie das Who is who der österreichischen Topgastronomie: von Heinz Reitbauer bis Thomas Dorfer, von Andreas Döllerer bis Lukas Nagl, von Richard Rauch bis Hannes Müller u.v.a.m. Auch Premiumproduzenten wie Paradeiserkaiser Erich Stekovics, Edelbrenner Hans Reisetbauer (der auch als Vereinsobmann firmiert) sowie Spitzenwinzer wie Gernot Heinrich, Paul Achs, Fred Loimer, Bernhard Ott, Stefan, Monika & Armin Tement u.v.a.m., die sich als respekt-BIODYN-Winzer auch international als Impulsgeber für einen zeitgemäßen, biodynamischen Weinbau verstehen; nicht zuletzt auch einige renommierte Kulinarik- und Food-Experten wie Dominik Flammer oder Hanni Rützler.

Lukas Nagl und sein Bootshaus-Team (Foto: Anna Stoecher / Koch.Campus)

Im Rahmen der Workshops geht es insbesondere darum, das Qualitätspotential regionaler Grundprodukte auf Basis unterschiedlicher Sorten und Rassen, Kultivierungs- und Aufzuchtvarianten, Alters- und Reifestufen sowie Zubereitungsmethoden zu evaluiert. In den letzten Jahren standen unter anderem folgenden Themen am Programm: Verarbeitung und Bewertung von Fonds aus gut 30 heimischen Pilzsorten, die kulinarischen Potentiale von Innereien, Verkostungen von Fleisch verschiedener Rinderassen und von Tieren unterschiedlichen Alters, auf unterschiedlichen Böden gezogenen Karotten derselben Sorte oder von alten Apfelsorten. Thematisiert wurde auch die Diskrepanz zwischen dem hohen Im- und Export von Kälbern und der rückgängigen Almwirtschaft sowie die Vermarktungsprobleme von Schweinebauern, deren Ansprüche in Qualität und Tierwohl weit über den gesetzlichen Ansprüchen liegen.

Auch am Traunsee standen diesmal sorgfältig kuratierte Vorträge und Verkostungen am Programm, das sich – dem Veranstaltungsort im seereichen Salzkammergut entsprechend – den Themen Salz und Wasser widmete.

Wasser ist nicht gleich Wasser

Wassersommelier Armin Schönenberger überraschte mit seiner angeleiteten Blindverkostung manche Skeptiker, die den sensorischen Qualitäten und Aromaprofilen unterschiedlicher Wassersorten bislang wenig Aufmerksamkeit gewidmet haben. Schmecken, so Schönenberger, könne man nur die jeweiligen Mineralien im Wasser: Kalzium und Magnesium, die zwei häufigsten Mineralstoffe im menschlichen Körper, Natrium und Hydrogencarbonate, die – ja – „Salze der Kohlensäure“.

Wassersommelier Armin Schönenberger (Foto: Wolfgang Reiter / futurefoodstudio)

Neben ihrer ernährungsphysiologische Bedeutung sind Mineralstoffe und ihre jeweilige Konzentration für signifikante sensorische Unterschiede ausschlaggebend. Verkostet und kommentiert wurden acht unterschiedliche Marken. Am deutlichsten zeigten sich die Unterschiede bei der Querverkostung von VCH Barcelona aus der katalanischen Vichy-Quelle, mit einem extrem hohem Mineralienanteil, und Evian, dessen niedriger Anteil an Mineralien dem eines durchschnittlichen Leitungswassers entspricht.

Ein besonderes Augenmerk wurde bei der Verkostung auf die Verbindung zwischen Wasser und Wein gelegt, die bei der Getränkebegleitung in der Gastronomie immer wichtiger wird. Hier eröffnet sich für Restaurants auch jenseits von exklusiven und hochpreisigen Produkten wie Fiji-Wasser eine breite Palette an unterschiedlichen Marken, um mit perfektem Pairing das jeweilige gastronomische Profil zu unterstützen: Säurebetonte Weine harmonieren am besten mit Medium-Mineralwässern, Wasser mit höherem Mineralstoffgehalt lassen oxidative Weißweine frischer und lebendiger erscheinen. Ein „No-Go“, so der Wassersommelier, seien dagegen Wasser mit hohen Kohlensäuregehalt zu tanninreichen Rotweinen.

Das Weiße Gold des Salzkammerguts

Ernährungsphysiologisch notwendig ist auch Salz. Die entsprechende Empfehlung der DGE, der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, lautet 6 Gramm pro Tag. In der Praxis konsumieren wir freilich wesentlich mehr. Dies gäbe durchaus Anlass, viele Rezepturen sensorisch zu evaluieren und ohne Geschmacksminderung anzupassen.

Vergleichsverkostung Salz mit Katharina Seiser (Fotos: Wolfgang Reiter / futurefoodstudio)

Dass auch Salz nicht Salz ist, hat sich längst herumgesprochen. Bei der von Katharina Seiser erkenntnisreich geleiteten Salzverkostung – Stein- und Meersalz von unterschiedlicher Körnung und Herkunft – konnten sich die Teilnehmer davon erneut überzeugen. Interessantes historisches Background-Wissen zum „Weißen Gold“ steuerte die Autorin Julia Kosbach bei. Als bedeutende Einnahmequelle bescherte das im Salzkammergut abgebaute Steinsalz der k. u. k.-Monarchie zirka 25 Prozent der staatlichen Einnahmen, aber auch die ersten Arbeiteraufstände.

Ike-Jime – Die Kunst des stressfreien Fischtötens

Den spektakulärsten Workshop-Part teilten sich aber Joji Hattori (Eigentümer des japanischen Sterner-Restaurants Shiki in Wien), Hiroki Takahashi, der Sushi & Kaiseki Meister der Shiki Academy Wien sowie Andreas Jobst von der Drautaler Forellenzucht Jobst, die theoretisch und praktisch in die japanische Kunst Fische zu töten, einführten.

Hiroki Takahashi und Andreas Jobst demonstrieren die japanische Kunst, Fische stressfrei zu töten (Fotos: Anna Stoecher / Koch.Campus)

Ike-Jime, die ursprünglich in Japan erfundene Technik, die durch einen direkten Stich ins Gehirn zum sofortigen Hirntot führt, trägt entscheidend zur sensorischen Qualität des Fleisches bei. Sie erfordert, wie Jost und Takahashi zeigten, freilich ein Höchstmaß an Präzision, Ruhe und Geduld. Wichtig ist, dass beim ersten Stich ins Gehirn des Fisches das sogenannte Rhombencephalon (auch Rautenhirn genannt) getroffen wird. Denn so gelangt kein Adenosintriphosphat, das für die unmittelbare Energiezufuhr in Zellen verantwortlich ist, in die Muskeln, das das Fleisch sauer werden ließe. Anschließend wird von hinten ein langer Draht ins Rückenmark des Fisches eingeführt, um zu verhindern, dass dieses weitere Befehle an die Muskulatur geleitet, was ebenfalls zu einer Übersäuerung der Muskeln führen kann. Zum Schluss werden die Fische zum Ausbluten in ein separates Becken gelegt. Auch das trägt maßgeblich zur Qualitätssicherung des Geschmacks bei, da das Blut während des Zersetzungsvorgangs ein unangenehmes Aroma entwickelt. Danach jedoch sollen Fische nicht mehr mit Wasser oder Eis direkt in Berührung kommen und nur mehr trocken gereift werden.

Sashimi vom Saibling und der Lachsforelle in verschiedenen Reifungsgraden (Foto: Wolfgang Reiter / futurefoodstudio)

Welch subtilen Einfluss das Reifen des Fisches auf den Geschmack hat, konnten die Workshop-Teilnehmer im Anschluss bei der Verkostung von unterschiedlich – eine, zwei oder drei Wochen – lang gereiften Lachsforellen im Restaurant Bootshaus sinnlich erfahren. Vor allem bei Sashimi. „Das ist unglaublich“, so Lukas Nagl, „was du hier für einen Geschmacksunterschied erhältst. Der Fisch wird mit zunehmender Reifung zarter und schmeckt noch feiner.“

Holobiontismus – Fermentation als Weg

Dass beim Thema Wasser und Salz auch Fermentation eine Rolle spielt, beweist Lukas Nagl nicht nur mit seiner exzellenten und nachhaltigen Fischküche, sondern auch im gemeinsam mit Christine Brameshuber und Viktor Gruber gegründeten Unternehmen Luvi Fermente: Fischabschnitte, die in der Bootshaus-Küche und in der umliegenden Gastronomie anfallen, werden mithilfe von Salz aus den Salinen im Salzkammergut sowie Enzymen des Kojipilzes zu einer feinen Fischsauce, dem Traunsee Garum, verarbeitet, das mit ganz anderen Aromen aufwartet als asiatische Fischsaucen. Und damit auch den Geschmack regionaler Gerichte adäquater unterstreichen kann.

Fermente ohne Ende (Foto: Anna Stoecher / Koch.Campus)

Sanjay Bösch, der unter dem klingenden Namen Bacteriosapiens in seiner vorarlberger Manufaktur Gemüse, Misopasten und Kombucha fermentiert, gab bei seinem Impulsvortrag „Holobiontismus – Fermentation als Weg“ Einblicke in eine der ältesten, auf der Symbiose von (Mikro)organismen beruhenden Konservierungsmethoden, die Lebensmittel nicht nur haltbar machen, sondern im Gegensatz zu manch anderen Konservierungsmethoden auch die darin enthaltenen Nährstoffe optimal stabilisiert. Bei der anschließenden Verkostung seiner und einiger Luvi-Fermente konnte auch das kulinarische Potential regionaler Ausgangsprodukte wie geröstetem Bio-Weizen, Kürbispresskuchen, Kräutern und Pilzen für fermentierte Saucen entdeckt werden.

 

Masterclass „Trinkfluss, Salzigkeit, Zug“ mit Weinen der respek-BIODYN-Winzer (Fotos: Anna Stoecher / Koch.Campus)

Den Abschluss des Workshops bildetet die Masterclass zum Thema Trinkfluss, Salzigkeit und Zug mit Chef-Sommelière Katharina Gnigler und den Weinen einiger respekt-BIODYN-Winzer, die sich auch als ideale Ergänzung zu Fermentiertem, Fisch und Käse erweisen, wovon sich die Teilnehmer beim anschließenden, von Andreas Döllerer, Hannes Müller und Lukas Nagl zubereitetem Sharing-Menü überzeugen konnten. (wr)

 

Mehr Infos zum Koch.Campus finden Sie hier:

Koch.Campus – Die Task Force des guten Geschmacks

Eine Reise ins Innere – Über den Koch.Campus-Workshop im Steirereck

Ein Koch.Campus zwischen Seeufer und Bergspitzen

Koch.Campus: Innereien, Hochküche und Wein – acht Stunden im legendären Steirereck

10 Years of Koch.Campus

 

 

 

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