Foto: Luiza-Luisa Puiu

Hanni Rützler (re) und Wolfgang Reiter (li), die Autoren des Foodreports

22. Mai 2022

Zehn Jahre Foodreport

In der Jubiläumsausgabe analysiert Hanni Rützler wie die Food&Beverage-Branchen auch angesichts der multiplen Krisen „Future Resilience“ entwickeln können

FRANKFURT. Nach zwei Reports im Zeichen der Corona-Pandemie gab es für die diesjährige Ausgabe Hoffnung auf einen neuen Schwung in den Food & Beverage-Branchen. Auch das Autoren- und Redaktionsteam ist voller Tatendrang und Vorfreude an den neuen, mittlerweile zehnten Foodreport herangegangen und hat viel Herzblut und kreative Ideen in die Ausgestaltung der „Anniversary Edition“ gelegt.

Schwungvoll gestartet – und dann begann, während es an die Ausarbeitung der Themen ging, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Und plötzlich ist nichts mehr wie es einmal war. Plötzlich müssen wir uns damit auseinandersetzen, dass unser Lebensmittelsystem durch den Krieg in der Kornkammer Europas und die Sanktionen gegenüber Russland, von dessen Gas- und Öllieferungen sich die Staaten der Europäischen Union zu sehr abhängig gemacht haben, aufs Tiefste erschüttert wird; dass wir mit massiven Preissteigerungen leben und in wirtschaftlich schwächeren Ländern mit Lebensmittelknappheit bis hin zu Hungersnöten rechnen müssen.

Das Food-System in der Ära der multiplen Krisen

Auch nach der einigermaßen bewältigen Gesundheitskrise scheinen die Zukunftsaussichten also alles andere als rosig. Und dennoch, so ist Hanni Rützler überzeugt, bietet auch die aktuelle politische Krise Chancen, unser Ernährungssystem nachhaltiger und zukunftsfiter aufzustellen. So wie die Verteuerung und die zu befürchtende Verknappung fossiler Brennstoffe die schon lange eingeforderte Energiewende beschleunigen wird, wird die Erschütterung des globalen Agrar- und Lebensmittelhandels sowie der Just-In-Time-Lieferketten den nicht weniger lange eingeforderten Wandel zu mehr Nachhaltigkeit und Resilienz in der Landwirtschaft und der Lebensmittelproduktion einen neuen Schub verleihen. Und damit letztlich auch dazu beitragen, dass sich Unternehmen resilienter aufstellen, um der Klimakrise zu trotzen, mit der wir auch nach einem hoffentlich baldigen Ende des Krieges weiter zu kämpfen haben werden.

Schon in ihren letzten Foodreports haben Hanni Rützler und ihr Co-Autor Wolfgang Reiter betont, dass Unternehmen Robustheit, Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit benötigen, und gezeigt, dass zahlreiche Foodtrends Wege in ein resilienteres und nachhaltigeres Ernährungssystem weisen. Denn Foodtrends signalisieren für die Autoren des Foodreports immer auch Antworten auf Probleme und zeigen mögliche Lösungsansätze auf.

Die Zukunft gehört der Nachhaltigkeit und der Kreislaufwirtschaft
Das gilt natürlich auch für die im aktuellen Foodreport beschriebenen Food Trends: So steht „New Glocal“ für ein neues, sinnvolleres Verhältnis von lokal produzierten und global importierten Lebensmitteln. Die regionale Verfügbarkeit, nicht der günstigere Preis wird in Zukunft zum primären Kriterium, ob Nahrungsmittel und Ausgangsprodukte importiert werden oder nicht. Und dort, wo Produzenten und Handel weiter auf internationale Importe angewiesen sind, werden sich die Spielregeln nach und nach verändern: Mehr Transparenz entlang der ganzen Lieferkette, gezieltere Kooperationen mit Fair-Trade-Produzenten und landwirtschaftlichen Betrieben, die sich alternativer Produktionsmethoden bedienen, wie sie sich in einem weiterer, erst im „Keimungsstadium“ befindlichen Trend ankündigen: „Regenerative Food“.

Wie sich Foodtrends entwickeln. Grafische Darstellung der Trend-Dynamik (Quelle: Hanni Rützler – Foodtrend Glossar, Frankfurt 2022)

Regenerative Food …
… weist einen Ausweg aus der Krise, die durch die Pandemie und den Krieg in der Ukraine ja nicht geringer geworden ist: der Klimakrise. Eine regenerative Lebensmittelerzeugung kann die Treibhausgasemissionen reduzieren, indem sie die Abhängigkeit von synthetischen Düngemitteln verringert und gesunde Böden mit einem hohen Gehalt an organischen Stoffen und einer größeren mikrobiellen Vielfalt schafft. Regenerativen Methoden können auch in der konventionellen Landwirtschaft gut an unterschiedliche örtliche Gegebenheiten angepasst werden. Gesunde Böden tragen zur Wiederherstellung des natürlichen Kohlenstoffkreislaufs bei und erhöhen die Fähigkeit des Bodens, Kohlenstoff zu binden und damit den Klimawandel zu bekämpfen.

Mehr alternative Proteine und eine nachhaltige Retail-Zukunft
Wie auch der Schwerpunkt zum Thema Fleisch und der Ausflug in die Retail-Zukunft, stehen diese beiden Foodtrends im Zeichen der Neo-Ökologie, dem wichtigsten Megatrend unserer Zeit. Nachhaltigkeit ist ein zentraler Aspekt von Neo-Ökologie und ein Schlüsselbegriff in der Food-Branche, der umweltbezogene, soziale und wirtschaftliche Komponenten umfasst. Dass der Kampf für eine bessere Zukunft auf unseren Tellern entschieden wird, ist mittlerweile zu einem geflügelten Wort geworden. Dabei gilt es, etablierte Strukturen des Ernährungssystems zu hinterfragen, zu verändern und notfalls auch zu sprengen, um eine nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen. In der Fleischindustrie rollt diese Revolution gerade an.

Ein wichtiger Player für die Transition hin zu mehr Nachhaltigkeit ist aber auch der Lebensmitteleinzelhandel. Die Formel ist in der Theorie ganz einfach: Den Konsument:innen einen klima- und umweltbewussten Einkauf so leicht wie nur möglich zu machen. Die im aktuellen Foodreport analysierten Nachhaltigkeitsvisionen für Supermärkte zeigen Wege auf, wie der Lebensmitteleinzelhandel eine Schlüsselrolle hin zu einer klimaneutralen Kreislaufgesellschaft spielen kann. (js/wr)

Die Themenschwerpunkte im Foodreport 2023:
° Meat – Die vielfältige Zukunft des Fleischkonsums
° Fusion – Die kulinarische Globalisierung unseres Alltags
° Retail Visions – Das Nachhaltigkeitsbewusstsein verändert die Welt des Lebensmittelhandels


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