Die neue Food-Trend-Map bündelt die vielen Trends nach thematischen Clustern. So sollen auch die komplexen Zusammenhänge, Parallelen und wechselseitigen Beeinflussungen besser ersichtlich werden.

10. Mai 2022

Separate the signal from the noise

Was Trendforschung leistet und wie man mithilfe von Food-Trends durch turbulente Zeiten navigiert. - Von Hanni Rützler und Wolfgang Reiter

WIEN. Food-Trends sind in den vergangenen zehn Jahren zum Basis-Tool vieler Akteur:innen in der Lebensmittelwirtschaft geworden: in den Vorstandsbüros ebenso wie in den Produktentwicklungs- und Innovationsabteilungen, bei internationalen Konzernen, mittelständischen Betrieben und Start-ups, in der Gastronomie und auch bei engagierten Landwirt:innen. Und natürlich in den jeweiligen Marketingabteilungen und Agenturen, die Unternehmen bei PR- und Werbeaktionen beraten. Das zeigt, dass die Food-Branchen verstärkt nach geeigneten Fahrplänen für die Zukunft suchen, nach Navigationshilfen oder zumindest nach Orientierungskarten, um den für sie passenden Weg in einem immer komplexeren Umfeld zu finden.

Was aber macht Food-Trends zu brauchbaren Instrumenten, um den gesellschaftlichen Wandel zu verstehen und die richtigen unternehmerischen Entscheidungen zu treffen? Dafür ist es zunächst wichtig zu wissen, dass sich unser Verständnis von Trends von positivistischen, statistisch begründeten Trend-Definitionen unterscheidet, wie sie in der Ökonomie und Marktforschung üblich sind, wo man unter einem Trend eine sich fortdauernd in die gleiche Richtung verändernde Entwicklung versteht, die sich quantitativ messen lässt. Unser Zugang dagegen lässt sich eher als hermeneutisch beschreiben: Auch uns interessiert nicht nur, was sich wie entwickelt, sondern vor allem warum. Dieses Warum aber lässt sich nicht mit statistischen Methoden erheben und messen. Es lässt sich nur verstehen.

Trendforschung ist keine Phänomenologie des Neuen

Trendforschung besteht im Wesentlichen darin, „schwache Signale“, die am Beginn jeder Trendentwicklung stehen, zu erkennen, sie vom medialen Rauschen, das in allem Neuen gleich einen Trend vermutet, zu unterscheiden, darin soziokulturelle Verschiebungen zu lesen und sie in einen übergreifenden Kontext einzuordnen. Das heißt, Trendforschung ist im Kern eine Kulturwissenschaft. Sie ist keine „Phänomenologie des Neuen“, die nur einzelne Produkte und Innovationen beschreibt, sondern sie ist den Ursachen von Veränderungsprozessen auf der Spur.

„Foodtrends sind nicht gleichbedeutend mit statistischen Entwicklungstendenzen, die sich einfach deskriptiv benennen lassen.“

 

Um diese Veränderungen zu identifizieren und einzuordnen, bedarf es nicht nur des konsequenten Monitorings bestimmter Zeichen, nicht nur des regelmäßigen Austausches mit Akteuren entlang der ganzen Lebensmittelkette, der Analyse von Marktentwicklungen, Konsumstatistiken und Meinungsumfragen, sondern auch Recherchen in der Start-up-Szene und bei universitären Einrichtungen sowie Metaanalysen branchenspezifischer Trendreports. Da der überwiegende Teil jener Reports auf Auftragsstudien von Unternehmen in der Produktion und im Handel (inkl. Lieferservices) sowie nationaler Marketingagenturen, Konsumentenschutzvereinen, Verbraucherzentralen oder Lobby- und Consulting-Organisationen beruht, bedürfen diese Analysen stets einer kritischen Lektüre.

„Naming“ verleiht Trends die nötige Sichtbarkeit

Entscheidend für die Qualität der Trendforschung ist darüber hinaus die richtige Verknüpfung isolierter Trendbeobachtungen und Datenerhebungen: sich abzeichnende Veränderungen einzuordnen und diese mitunter auch gegen die öffentliche Wahrnehmung anders zu justieren. Und nicht zuletzt bedarf es auch des „Naming“, des Benennens von spezifischen Trends, das den Entwicklungen erst Sichtbarkeit verleiht. Wenn es für ein Phänomen einen Begriff gibt, kann darüber auch gesprochen werden. Trendforschung ist damit im Kern auch eine Übersetzungsleistung – von der Gesellschaft in die Wirtschaft. Denn erst wenn Unternehmen den gesellschaftlichen Wandel verstehen und wie dieser in den Food-Trends zum Ausdruck kommt, können sie diese auch erfolgreich als Tools für sich nutzen.

Die Food-Trend-Map: Durchblick trotz Vielfalt

Auf den ersten Blick mag die Vielfalt der von uns identifizierten und beschriebenen Trends ein handlungsleitendes Verständnis erschweren. Aus einer Metaperspektive betrachtet, lassen sich in der Trendvielfalt dennoch thematische Schwerpunkte erkennen. Diese machen wir in unserer Food-Trend-Map durch entsprechende Cluster besser sichtbar. Bildlich gesprochen: Die Cluster sind die Hauptverkehrswege, auf denen sich Unternehmen bewegen können, um zukunftsfitte Entscheidungen zu treffen, ihre Produkte und Serviceleistungen in einem größeren Ganzen zu verorten, die eigenen Entwicklungsprozesse zu reflektieren und neue strategische Schwerpunkte zu setzen.

„An welchen der Foodtrends man sich als Unternehmer:in erfolgreich orientieren kann, hängt vom eigenen ‚inneren Antrieb’ ab.“

 

Richtig anwenden lassen sich Food-Trends allerdings nur, wenn man den eigenen Antrieb und die Werte kennt, für die das Unternehmen steht oder die man – auch angesichts der aktuellen Krisen – neu definieren möchte. Erst dann macht es Sinn, sich mit der bewegten Außenwelt auseinanderzusetzen, die sich für die Nahrungsmittel- und Gastronomie-Branche inkl. Handel und Landwirtschaft in den Foodtrends spiegelt. Denn es ist der eigene Antrieb, der Erdung gibt und auf dessen Basis die nicht bloß oberflächliche Beschäftigung mit Foodtrends für unternehmerische Entscheidungen sinnvoll und erfolgversprechend ist. Erst auf dieser Basis können aus der Vielfalt der Trends jene gewählt werden, die für das jeweilige Unternehmen brauchbare Pfade in die Zukunft weisen.

Mehr über die Rolle von Food-Trends und die Bedeutung der Trendforschung für die Food-Branche finden Sie im aktuellen Foodtrend-Glossar

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