Foto: www.djwg.at


Die jungen WILDEN Gemüse-Bäuerinnen und -Bauern aus der Steiermark sind nicht nur „wild“ auf gute Zusammenarbeit in der Vertriebsgemeinschaft, sie sind auch „wild“ auf neue Ideen. Zum Beispiel auf die lokale Kultivierung von Ingwer in Bio-Qualität.

6. Dezember 2021

Local Exotics

Fremde Genüsse aus der Heimat

Der Klimawandel macht’s möglich, oder – aus pessimistischer Perspektive – er macht es notwendig: Auf ehemaligen Weinterrassen in der Wachau pflanzt die Familie Zizala nun Olivenbäume. Seit 2020 reifen die mediterranen Früchte auf den sonnenbeschienenen und von der in den Trockensteinmauern gespeicherten Wärme umhegten Terrassen mitten in Niederösterreich. Die Ernte wird von der Familie Bräuer verarbeitet, die schon einige Jahre früher mit dem Anbau von Oliven nördlich der Alpen experimentiert hat.

Neue Technologien erweitern das lokale Produktportfolio
Oliven sind aber längst nicht mehr die einzigen „Exoten“, die sich bei innovativen Landwirten in Österreich und Deutschland wachsender Beliebtheit erfreuen. Immer mehr heimische Produzenten, ob Gemüsebäuerinnen oder Viehzüchter, haben ihr Produktportfolio erweitert und befördern damit einen Trend, den wir „Local Exotics“ nennen. Auch neue Technologien wie Aquaponik oder Indoor Farming eröffnen neue Möglichkeiten, exotische Lebensmittel auch in Mittel- und Nordeuropa anzubauen und zu züchten. Immer öfter sind sie nun auch in Supermärkten zu finden. So fördert etwa die Rewe Group Österreich den Trend, indem sie österreichische Exoten wie Zitronen, Ingwer, Feigen, Wassermelonen, Reis, Süßkartoffeln, Bio-Erdnüsse, Physalis oder Gojibeeren an ausgewählten Standorten im Sortiment hat.

Der Klimawandel als Trendtreiber
Dass Erzeugerbetriebe darüber nachdenken, welche Obst- und Gemüsesorten in Zukunft besser auf ihren Feldern gedeihen werden, ist einerseits auf die gerade in der Landwirtschaft deutlich spürbare Klimakrise zurückzuführen. Angesichts des Trends zur Deglobalisierung und Regionalisierung gilt es dabei auch, die Exportabhängigkeit bei bestimmten Produkten wie etwa Soja zu minimieren. Heute ist die Zahl der Betriebe, die exotische Lebensmittel produzieren, noch überschaubar, doch die Pioniere finden immer mehr Nachahmer. In der Folge wächst die globale Vielfalt auch in der eigenen Region langsam, aber stetig an – von Ingwer bis Garnelen, von Reis bis Wasabi, von Kiwi und Störe bis zu Feigen, Bison, Melonen und Erdnüssen.

Mediterrane Genüsse aus der Nachbarschaft: Weinviertler Artischocke von der Familie Theuringer (www.theuringer.at) und Wachauer Oliven von der Familie Zizala (www.wachauerolive.at)

Bio-Qualität und Frische als Asset
Eine treibende Rolle spielen dabei auch der wachsende Bedarf an qualitativ hochwertiger und frischer Vielfalt und Varianz, insbesondere in der gehobenen Gastronomie, sowie der anhaltende Bio-Trend. Die Frage, wie sich exotische Früchte und Fische auch mit Biozertifikaten auf den Markt bringen lassen, wird künftig an Relevanz gewinnen und damit lokale Produzenten begünstigen.

Fasst man den Begriff der „Exoten“ nicht nur geografisch und klimatisch, dann ist es kaum verwunderlich, dass auch ehemals übliche und häufig konsumierte Lebensmittel heute als exotisch wahrgenommen werden. Das gilt etwa für Schnecken, die in Wien bis um die Wende zum 20. Jahrhundert zu populären Gerichten verarbeitet wurden, oder für Tierrassen wie das Turopolje-Schwein, das in Österreich noch bis in die 1950er-Jahre gehalten wurde. Werden diese Rassen nun auch in der Schweiz und Deutschland wieder gezüchtet und angeboten, fallen sie in der Wahrnehmung der Konsumentinnen auch in die Rubrik Local Exotics.

Kaviar, Störfilet & Störleder aus nachhaltiger Schweizer Produktion von Oona-Caviar (www.oona-caviar.ch)

Kurkuma & Co. aus der Region
Der regionale Anbau von „Exoten“ ist aber nicht nur unter Nachhaltigkeitsaspekten sinnvoll, sondern kann auch mit kulinarischen Vorteilen punkten. Das zeigen zum Beispiel die „jungen WILDEN Gemüsebauern“, eine Gruppe von innovativen Landwirtinnen und Landwirten aus der Steiermark in Österreich, die neben Beeren, Tomaten und Spargel nun auch Ingwer anbauen. Auch am Standort Seewinkel im Burgenland wird vom Produktions- und Handelsbetrieb Veganis seit 2018 immer im Herbst Ingwer und Kurkuma geerntet. Beide Pflanzenarten haben im Zuge der Popularisierung asiatischer Küchen und fernöstlicher Wellnessbewegungen auch in die Küchen der deutschsprachigen Regionen Einzug gehalten.

Geschmacklich ist der junge steirische oder burgenländische Ingwer seiner weitgereisten Konkurrenz aus China, Nigeria oder anderen Herkunftsländern weit überlegen: je jünger und frischer die Ingwerwurzel, desto ausgewogener das Verhältnis von Aroma und Schärfe. In den Handel kommt der im Gemüsetunnel gezogene Ingwer aus der Steiermark ausschließlich als frisches Rhizom, das intensiv frisch-zitronig schmeckt und eine angenehme Schärfe hat. Ganz frisch kann sogar die Schale mitverwendet werden.

Absolut frischen Mozzarella produziert Robert Paget mitten in Niederösterreich (www.bufala-connection.at)

Mozzarella vom heimischen Wasserbüffel
Österreichische Gourmets müssen auch nicht mehr in die Mongolei reisen, um in den Genuss eines guten Yak-Steaks zu kommen, seit Erich Pollak im nördlichen Waldviertel die robusten Hochlandrinder züchtet. Die Tiere stehen ganzjährig auf der Weide, wo sie frische Gräser, Kräuter und Moose, im Winter auch Heu zu sich nehmen – und besonders zartes und sehr mageres Fleisch mit einem hohen Eiweiß- und Vitamingehalt liefern, das vor allem für seinen aromatischen, wildähnlichen Geschmack geschätzt wird. Nur wenige Kilometer entfernt hat sich Käsemacher Robert Paget unter anderem auf die Herstellung eines originalen und lokalen Mozzarellas aus Milch von Wasserbüffeln spezialisiert, die er auf seinem Hof züchtet.

Mehr über den Food-Trend „Local Exotics“ und weitere Best Practice-Beispiele aus Deutschland, Österreich und der Schweiz finden Sie in Hanni Rützlers Foodreport 2022 -> Online bestellen

 

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