Foto: Daniela Matejschek / Die Presse

Hanni Rützler am Brunnenmarkt

1. September 2024

„Es geht nicht darum, uns das Fleisch wegzunehmen“

Was Technologien wie In-vitro-Fleisch verändern – und warum es in Österreich auch in Zukunft Rinder geben wird. Hanni Rützler im "Die Presse"-Interview.

Sie befassen sich seit vielen Jahren mit dem Thema Essen. Stehen Sie auch manchmal vor dem Supermarktregal und verzweifeln schier? Gesundheit, Klima, Umwelt, alles sollte man irgendwie mitbedenken, damit man ruhigen Gewissens essen kann.
Hanni Rützler: Nicht wirklich. Ich bin sehr bewusst an einen Wochenmarkt gezogen, habe auch Produzenten, bei denen ich direkt einkaufe, und mir damit eine Infrastruktur aufgebaut: Das sind Einkaufsquellen, bei denen ich gern das kaufe, was ich kaufe.

Worauf ich hinauswill: Das Thema Nachhaltigkeit lastet im Kontext von Lebensmitteln und Essen extrem stark auf den Schultern des Konsumenten.
Viel zu stark. Natürlich hat der Konsument eine mächtige Rolle. Aber er ist ja letztlich darauf angewiesen, was ihm – etwa in den Supermärkten – angeboten wird. Und darüber entscheiden alle Akteure entlang der Lebensmittelkette, von der Politik über die Landwirtschaft bis zu den Verarbeitern und der Gastronomie, dem Handel und den Konsumenten. Der Wandel unserer Esskultur hin zu mehr Nachhaltigkeit ist eine systemische Aufgabe. 

Das große Thema, wenn es um Nachhaltigkeit und Essen geht, ist im Moment die Rolle von Fleisch. Steht das zu Recht im Mittelpunkt der Debatte?
Ja. Sowohl in Bezug auf das Klima, das Tierwohl und die Gesundheit. Über Jahrhunderte war Fleisch eine große Sehnsucht, etwas Teures, Edles, Rares. Erst mit der Industrialisierung der Produktion ist Fleisch für alle leistbar geworden. Das war auch ein explizit politisches Ziel. Aber wir haben dabei überzogen. Auch in Österreich ist ein Großteil der Landwirtschaft auf Fleisch und Milch ausgerichtet. Das war nicht immer so. Und es wird auch nicht immer so bleiben. Es geht aber aus meiner Sicht nicht darum, den Menschen das Fleisch wegzunehmen, sondern durch kulinarisch attraktive pflanzliche Angebote eine ausgewogenere und nachhaltigere Ernährung zu erleichtern.

In Österreich wird immer noch viel Fleisch gegessen – wenngleich es langsam weniger wird. Rational betrachtet muss man sagen: Weder aus gesundheitlicher Sicht noch aus Sicht von Klima und Umwelt ist es gescheit, so viel Fleisch zu essen. Warum wirkt sich das nicht schneller aus?
Essen ist eben nicht nur eine rationale Entscheidung. Geschmäcker sind kulturell geprägt und unsere Esskultur ist nach wie vor fleischzentriert. Aber wir befinden uns mitten in einem Wandel, der die zentrale Rolle des Fleisches auf unseren Tellern ins Wanken bringt. Den beobachtet man vor allem bei jüngeren Generationen, die keinen aus Mangelzeiten erwachsenen, historischen Fleischhunger mehr haben.

Bei der Debatte ums Fleisch schwingen oft Moral, Angst und Verzicht mit.
Es braucht die ethischen Debatten über die Praxis in unserer Fleischproduktion. Aber der Wandel funktioniert nur über den Genuss. Wir brauchen …

 

Das ganze Interview mit Bernadette Bayrhammer im Presse-Magazin können Sie hier lesen.

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